Fortbildungstag 2023
Kritikgespräche: Sie haben es 1.000 Mal gesagt. Es hat sich 1.000 Mal nichts geändert?
- Posted by: Michael Wachholz
- Category: Führungskräfte Kritikgespräche Mitarbeiterführung Tipps für den ärztlicher Dienst Tipps für Pflegekräfte
„Kritikgespräche? Ich habe es ihr schon so oft gesagt. Doch sie macht es einfach nicht.“
Das ist einer der häufigsten Kommentare in Führungstrainings.
Die Punkte, um die es im Einzelnen geht, sind unterschiedlich: Pünktlichkeit, Dokumentation, Umgangsformen ….
Identisch ist hingegen, dass „die Mitarbeiterin“ sich trotz mehrerer Kritikgespräche beharrlich verweigert, worum sie schon oft geben oder aufgefordert wurde.
Der gängige Lösungsversuch vieler Führungskräfte ist: Wenn ein-, zwei-, dreimal nicht reicht, dann sage ich es halt noch einmal. Ich führe so oft ein Kritikgespräch, bis sie es begreift.
Paul Watzlawick nennt diesen Ansatz Mehr desselben. In „Anleitung zum Unglücklichsein“ bezeichnet er ihn als eines der erfolgreichsten und wirkungsvollsten Katastrophenrezepte.
Wer mit Strenge nicht erfolgreich ist, glaubt oft, nicht streng genug gewesen zu sein. Dasselbe gilt natürlich auch für Freundlichkeit, Entgegenkommen etc.
In schwierigen Führungssituationen hat sich hingegen ein ganz anderes Vorgehen sehr bewährt.
Die Kritik-Kaskade
So führen Sie erfolgreiche Kritikgespräche, am Beispiel „Die unpünktliche Mitarbeiterin“
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Nicht sofort reagieren
Manchmal ist es nicht notwendig (oder angemessen) sofort zu reagieren. Ihre Mitarbeiterin Lena ist zum ersten Mal unpünktlich? Da es bisher noch nicht vorgekommen ist, wollen Sie es dieses Mal vielleicht noch nicht ansprechen. Merken Sie sich lediglich den Tag und die Zeit.
Sicherlich gibt es auch Punkte, die Sie nicht übergehen können oder wollen. Dann steigen Sie halt mit Schritt 2 ein. -
Kurze, freundliche Ansprache.
Das können Sie quasi im Vorbeigehen machen. Freundlich, kurz, ohne viel Aufhebens. „Lena. Bitte sei in Zukunft wieder pünktlich.“ Lächeln. Kurzes Augenzwinkern. „Danke.“
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Erklären Sie, warum dieser Punkt es wichtig ist.
In dieser Stufe erklären Sie ausführlich welche Konsequenzen das Fehlverhalten hat / haben könnte. „Lena, ich weiß, du bleibst auch hin und wieder länger. Doch wenn du zu spät kommst, dann warten wir auf dich. Wenn vier Kollegen fünf Minuten warten, dann fehlen uns 20 Minuten. Oder wir fangen ohne dich an. Dann könnte es aber sein, dass du wichtige Informationen verpasst und es zu Fehlern kommt. Ich kann weder das Eine, noch das Andere akzeptieren. Daher ist es absolut wichtig, dass du …“
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Hierarchie klären
Je freundlicher und kollegialer Sie als Führungskraft sind, desto eher übersehen Ihre Mitarbeitenden, dass als ihre Vorgesetzte auch das Sagen haben.
Bitten Sie Ihre Mitarbeiterin zu einem Gespräch. Sie legen dabei den Ort und die Zeit fest.
Protokollieren Sie währenddessen (!) das Gespräch. Notieren Sie, dass das Fehlverhalten bereits viermal vorgekommen ist. Notieren Sie, zumindest ungefähr. die drei anderen Situationen.
Je nach Situation können Sie sich das Protokoll auch unterschreiben lassen. Wenn die Mitarbeiterin die Unterschrift verweigert, dann bitte Sie jemanden dazu, wiederholen die Bitte und notieren dann: Mitarbeiterin verweigert Unterschrift. Ort, Datum, Ihre Unterschrift. -
Ermahnung
Besprechen Sie mit Ihrer Vorgesetzten, wie Sie den nächsten Schritt nennen: Ermahnung, Anweisung, wie auch immer …
Die Ermahnung
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- erinnert den Betreffenden an seine arbeitsvertraglichen Pflichten. Beschreiben Sie genau, was Sie bemängeln und was Sie erwarten.
- benennt formell, welches Fehlverhalten Sie rügen. Erst dann merken einige Mitarbeiter, wie ernst es Ihnen ist.
- hat keine juristischen Konsequenzen. Sie braucht daher auch keine spezielle Form.
- Im Alltag gerät manches in Vergessenheit. Eine Ermahnung dokumentiert das wiederholte Fehlverhalten des Betreffenden.
Bereiten Sie zwei Exemplare der Ermahnung vor und bitten die Betreffende zu sich.
Erklären Sie die Situation und unterschreiben Sie dann (!) beide Exemplare der Ermahnung. Übergeben Sie eine Version und lassen Sie sich die andere unterschreiben. (Das funktioniert besser, wenn Sie die Exemplare in Ihrer Anwesenheit unterzeichnet haben.)
Erklären Sie kurz, dass eine Ermahnung in die Personalakte kommt und Folgen auf Beförderungen, Zeugnisse oder ähnliches haben kann. Und dass es in der Regel einen Anwalt braucht, wenn man eine Ermahnung aus der Personalakte entfernen lassen will.
Jetzt ist es an der Zeit ausgesprochen nett zu werden.
„Ich will dir absolut keine Steine in den Weg legen. Schließlich wissen wir beide nicht, was die Zukunft bringt. Was du möglicherweise noch erreichen möchtest. Hier oder woanders.
Lass es uns daher so machen. Ich lege die Ermahnung in diesen Umschlag. Ich schreibe ein Datum drauf und lasse ihn hier bei meinen Unterlagen. Solltest du bis zu diesem Datum „nicht mehr zu spät kommen“, werden wir den Umschlag an diesem Tag in den Schredder stecken. Das ist dann so, als wäre das alles nicht passiert.
Wenn du bis dahin jedoch wieder „zu spät kommst“, dann schreibe ich eine weitere Ermahnung. Die schicke ich zusammen mit der ersten an die Personalabteilung. Ich bin ganz offen: Ich weiß nicht, was dann dort passiert. Ob es zu einer Abmahnung kommt oder was auch immer. Ich bin kein Jurist. Doch ich kann es dann auch nicht mehr beeinflussen.“
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Übergeben Sie die Ermahnungen an die Personalabteilung.
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Abmahnung
Eine Abmahnung ist eine juristischer Akt, der genaue Kriterien erfüllen muss. Daher ist es wichtig, die Abmahnung von einem Anwalt verfassen zu lassen. Denn eine ungültige Abmahnung würde die Betreffenden eher bestärken als regulieren.
Die Kritik-Kaskade zeigt, dass die Abmahnung erst der letzte von vielen Schritt ist. Sie als Führungskraft haben vorher also noch viele andere Möglichkeiten zu reagieren.
Wenn Sie sich an diesen Ablauf halten, dann können Sie bei einem Mitarbeitenden bei einem wiederholten Fehlverhalten schon in der vierten Stufe sein. Mit einem anderen Fehlverhalten würden Sie dennoch in Stufe eins oder zwei beginnen.
Sie werden es erleben. Wenn Sie sich an diese Schritte halten, dann werden Sie von Ihren Mitarbeitenden als fairer und einschätzbarer Vorgesetzter wahrgenommen.